29. November 2020 – Über diese noch relativ neue Arbeitsstrategie hat sich Ben Armstrong Gedanken gemacht und sie am 20. November 2020 publiziert im „Chronicle of Higher Education“.

Ich finde die Idee des stillen Meetings, die er dort beschreibt, durchaus bemerkenswert.

Ben Armstrong ist Forschungswissenschaftler am M.I.T., zuvor war er als Postdoc wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Brown University tätig.

Zwar ist die Didaktik des Flipped oder Inverted Classroom, um die es uns hier als FlippedClassroom.Academy geht, stringent – in der Hinsicht, dass sie den Lehr-Input der Dozierenden von der Vertiefungs- und Anwendungsphase unterscheidet. Dabei wird jener Lehr-Input ja in Form von asynchroner Kommunikation bereitgestellt, ihn sollen sich die Lernenden für die in den nachfolgenden Meetings vorgesehenen Vertiefungen eigenverantwortlich vorbereiten.

Wie aber auch die Erscheinungsformen des Inputs unterschiedlich sein können und sollten, gilt das auch für die Meetings.

Was kann man sich nun unter einem stillen Meeting vorstellen und was sollte in jener Stille geschehen?

Ben Armstrong beschreibt, wie Anfang 2020 ein Student vorschlug, stille Sitzungen abzuhalten. Diese Meetingform sei bei Technologieunternehmen recht beliebt und nun auch – nach ihrer Anpassung – überraschend effektiv für Schule, Hochschule und Weiterbildung.

Was passiert bei einem „stillen Treffen“?

Anstatt die Leute im Voraus einen Bericht oder Vortragstext rezipieren zu lassen und sich dann zur Diskussion zu treffen, lesen in einem Teil der Sitzung die Teilnehmer:innen zunächst gemeinsam den Input im Stillen und sprechen dann gemäß einer Tagesordnung und einer Reihe von Diskussionsfragen darüber. Jeder ist eingeladen, das gemeinsame Dokument zu kommentieren und seine eigenen Ideen hinzuzufügen.

Laut einem „Silent Meeting Manifesto“, das auf den Erfahrungen eines Twitter-Mitarbeiters basiert, ermöglicht die Strategie die Herstellung von Wissen in der Sitzung statt nur eine Verbreitung von Informationen.

 

Ben Armstrong adaptierte diesen Ansatz in diesem Jahr auf seine Online-Lehrveranstaltungen und stellte fest, dass er damit nicht nur Klassendiskussionen auf Zoom anregte, sondern sogar noch mehr Beteiligung und Ideen hervorrief als die persönlichen Diskussionen.

Er hatte seine Vorlesungen zuvor aufgezeichnet und teilte die 20 Studenten für den Diskussionsteil des Kurses in vier Diskussionsgruppen zu je fünf Personen ein.

Vielleicht, so dachte ich zunächst, könnte diese Art des Lernens eine Gelegenheit für einen persönlicheren Austausch bieten, der den Interessen der Studenten entspricht. Diese Vorgehensweise ist ja auch hierzulande seit Frühjahr 2020 gang und gäbe.

Doch stellte Ben Armstrong – wohl genauso wie wir hier – fest, dass die Diskussionen sich unbehaglich anfühlten, da die nonverbalen Hinweise und die hin und her gehende Energie mit der Entfernung verschwanden. Die Gespräche stockten und die Konzentration ließ schnell nach. 

Dann kam der Vorschlag jenes Informatikstudenten auf, stille Meetings auszuprobieren, wie er sie in einem Praktikum erlebt hatte. Ben Armstrong veränderte die Umsetzungsweise nun aber so, dass die zu besprechenden Diskussionspapiere nicht erst zu Beginn des Online-Meetings ausgegeben wurden, sondern bereits einige Tage zuvor – Flipped Classroom.

Die veränderte Umsetzung

Interessant war, dass die Gruppen den „stillen“ Teil des Meetings dadurch bereits in den Tagen vor dem Meeting gemeinsam und eigeninitiativ durchführten. Dennoch gab Armstrong zu Beginn des Online-Meetings noch einige Minuten Zeit der Stille, damit alle nochmals das Dokument durchsehen konnten – es also wieder „auf dem Schirm“ hatten.

Was folgert Armstrong nun?

  • Bisher gab es immer nur diese dyadischen Diskussionen, zwischen dem Lehrenden und den Lernenden. Jetzt aber begannen die Lernenden, sich miteinander auf die Texte einzulassen und sie untereinander zu diskutieren. Kooperatives Lernen in Zeiten von Corona: mit synchroner Kommunikation, online.
  • Ben Armstrong stellte fest, dass die Studierenden jetzt auch mehr Zeit zum Nachdenken hatten über die für sie ja erst einmal immer neuen Inputs durch solche Texte oder auch Lehrvideos, bevor sie sie dann diskutierten.
  • Und, so sagt er: diese Art von „stillen Sitzungen“ können Studenten, die sich sonst mitunter von Gesprächen ausgeschlossen fühlen würden, helfen, gemeinsam mit den anderen Kursteilnehmer:innen neue Ideen einzubringen.

Ich meine: das ist eine spannende Vorgehensweise, die einen guten Übergang schafft von der Rezeption des vorproduzierten Inputs zur gemeinsamen – und hier offenbar tatsächlich gemeinsamen – Vertiefung und Weiterführung.

Vielleicht auch eine Idee für Sie?!?