16. September 2020 – Da immer mehr Lehrende an den Hochschulen nunmehr auf das Inverted-Classroom-Modell (Flipped Classroom) umsteigen wollen, warnen Bildungseinrichtungen mitunter davor, sie könnten dadurch Lizenzprobleme bekommen.

Um das zu vermeiden, müssten mindestens 60 Prozent der Lehre in synchroner Kommunikation durchgeführt werden.

Doch – ist das wirklich so…?

Zitat:

„Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes ist jede Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die unter folgende Voraussetzungen fällt:

  • vertragliche Grundlage ,Fernunterrichtsvertrag‘
  • gegen Entgelt
  • ausschließlich oder überwiegend über räumliche Distanz
  • zumindest einmalige ,individuelle‘ Lernerfolgskontrolle“

Quelle: ZFU

Grafik: ZFU

Die Antwort lautet also: Nonsens!

Denn – lesen wir wir diese Grafik sachlich nüchtern und korrekt, bräuchte es einen expliziten Vertrag mit den Lernenden für ein Fernstudienangebot – doch solches wird man nur bei geprüften und bereits zugelassenen Fernstudienangeboten finden können.

Wo Studienverträge sich hingegen auf ein Präsenzstudium beziehen, kann es also gar nicht dazu kommen.

Und wenn „zu viele“ voraufgezeichnete Lektionen angeboten werden…?

Um das beurteilen zu können, ist die festgelegte Obergrenze asynchroner Kommunikation aus derselben Quelle zu ermitteln:

„Die Lehrenden und die Lernenden sind ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt, wenn mehr als die Hälfte (> 50%) der Kenntnisse und Fähigkeiten mithilfe von Medien (z.B. Lehrbriefe etc.) vermittelt wird und bei deren Bearbeitung ein asynchroner Informationsaustausch vorliegt.

Bei einem „virtuellen Klassenraum“ oder anderer synchroner Kommunikation (z.B. Live-Chat) ist jederzeit ein Kontakt wie in Präsenzveranstaltungen möglich, so dass eine „räumliche Trennung“ i. S. des Gesetzes nicht gegeben ist, obwohl Lernende und Lehrende sich an unterschiedlichen Orten aufhalten.

Bei asynchronem Austausch (z. B. Weblog, Forum, Wiki als Lernhilfe etc.) ist die Voraussetzung der „räumlichen Trennung“ i. S. d. FernUSG gegeben. Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, das Forum mit Fragen zu bestücken und Kommentare abzugeben. Die Möglichkeit einer simultanen Antwort besteht jedoch nicht.“

Festzuhalten ist also:

Nur ab 50,xx Prozent asynchroner Kommunikation durch voraufgezeichnete Lektionen sowie Foren etc. sind die Lehrenden und die Lernenden überwiegend räumlich getrennt.

Von einer zu erfüllenden Quote von „mindestens 60 Prozent“ synchroner Kommunikation kann daher keine Rede sein.

Und selbst wenn jemand in seiner Umsetzung (nicht: qua Planung) z. B. für vier Wochen im Semester aus gesundheitlichen Gründen ausfällt – wird dadurch sein Modul etwa zum Fernstudium? Dürften die Studierenden dann womöglich gar nicht gültig geprüft werden…?

Das war noch nie so. Rhetorische Fragen…

Es ist erkennbar notwendig, dass sich endlich auch die Verwaltungen und Präsidien der Hochschulen konsequenter an die grundgesetzliche Vorgabe der Lehrfreiheit halten!

Solche 60-Prozent-Vorgaben in den Raum zu stellen – oder auch andere Vorgaben, wie man sie sogar bei vielen staatlichen Hochschulen in Deutschland bezüglich digitaler Lehre findet – wird erkennbar nicht dieser grundgesetzlichen und daher auch hochschulrechtlichen Vorgabe gerecht.

Was also tun?

Einfach guten Gewissens gemäß Grundgesetz und zuständigem Hochschulgesetz handeln. Und: alles jenen Widersprechende … ignorieren.

M.G.